Die ohnehin verhärtete Situation im Bereich der Industrieversicherungen hat sich durch die Corona-Krise weiter verschärft. Eine schwierige Zeit für alle Beteiligten, denn eine Pauschallösung ist nicht in Sicht.
Hamburg, 05.10.2020 – Aktuell erfährt der Versicherungsmarkt zahlreiche Umbrüche. Speziell der Industrieversicherungsbereich ist in vielen Fällen defizitär. Veränderungen waren daher dringend notwendig, kommen aber gerade jetzt zu einer ungünstigen Zeit, denn die Unternehmen müssen Kosten sparen. GGW Geschäftsführer und Vertriebsleiter Thorsten Gerckens spricht über die Lage am deutschen Markt.
Thorsten Gerckens (in Folgenden T. G.): Das größte Problem sehe ich tatsächlich darin, dass momentan vieles zusammentrifft: Der Industrieversicherungsmarkt lief für die Versicherer in einigen Bereichen schon seit längerem schwierig. Nun hat Covid 19 zusätzlich Schäden verursacht, für die seitens der Versicherer Aufwendungen in Milliardenhöhe hinzukommen. Auf der anderen Seite stehen die Unternehmen vor einer absolut ungewissen Zukunft, weil sie coronabedingt mit extremen Umsatz- und Ertragsrückgängen umgehen müssen, ohne zu wissen, wann sich die Situation wieder bessert. Dort steht also eine möglichst hohe Kostenersparnis im Fokus. Beide Perspektiven sind nachvollziehbar, aber auf den ersten Blick nur schwer auf einen Nenner zu bringen.
T. G.: Bei unseren Kunden herrschen auf jeden Fall eine starke Verunsicherung und zum Teil Unverständnis. Die Versicherer dagegen haben teilweise massive Forderungen aufgerufen, die das Unverständnis verstärken.
T. G.: In der Sachversicherung hatte sich der Markt schon in den letzten zwei bis drei Jahren verhärtet. hier sind inzwischen deutliche Prämiensteigerungen im zweistelligen Prozentbereich an der Tagesordnung. Hinzu kommt eine Verringerung der Kapazitäten. Gleichzeitig werden die Anforderungen an unsere Kunden, beispielsweise bei den Brandschutzmaßnahmen, immer höher. Bei der Transport-Versicherung verzeichnen die Versicherer schön länger negative Ergebnisse, hier wird sich die Lage verhärten, was sich bereits durch deutliche Ausschlüsse, zum Beispiel bei den Lagerrisiken, oder durch erweiterte Sanktionsklauseln bemerkbar macht. Die Cyber-Absicherung wird gerade jetzt immer wichtiger und rückt somit bei Unternehmen und Versicherern in den Fokus. Gleichzeitig werden auch hier die Anforderungen immer höher, und es müssen klare Bedingungswerke und Abgrenzungen geschaffen werden. Schon jetzt steigen auch bei der Cyber-Versicherung die Prämien deutlich, was sich noch weiter verstärken wird. Am stärksten betroffen ist die D&O-Versicherung. Hier haben viele Versicherer bereits begonnen, ihre Zeichnungsanteile und Kapazitäten zu reduzieren, was sich in den kommenden Monaten vermutlich noch ausweiten wird. Hier spielen vor allem auch Schadenfälle, wie zum Beispiel der Wirecard-Skandal, eine nicht unerhebliche Rolle. Zwar ist die Situation weltweit noch deutlich verschärfter als in Deutschland, doch auch hier werden die Veränderungen spürbar sein. Relativ stabil sieht es momentan nur für die Haftpflicht-, die Technische Versicherung und die Unfall-Versicherung aus. Im Haftpflichtbereich sehen wir uns allerdings zum ersten Mal überhaupt mit generellen Forderungen nach höheren Prämien konfrontiert. Bei Kfz-Rückruf-Deckungen gibt es neben Prämienerhöhungen zudem deutliche Reduzierungen der Kapazitäten.
T. G.: Im Kfz-Bereich sollte es aufgrund des gesunkenen Verkehrsaufkommens in den letzten Monaten eigentlich zu geringeren Schadenquoten kommen, wobei das ein Phänomen ist, das wir derzeit noch nicht beobachten können. Allerdings zeigt sich der Markt dort derzeit momentan noch eher käuferfreundlich.
Wie steht es um den Bereich der Kredit-Versicherung?
T. G.: Das lässt sich im Moment noch nicht verbindlich einschätzen. Erst in den nächsten Wochen wird sich entscheiden, ob und wie sich die Rettungsmaßnahme der Bundesregierung auf den Bereich der Kredit-Versicherung langfristig auswirken wird.
T. G.: Hier kommen die Rückversicherer ins Spiel. Von dieser Seite kommt eine klare Forderung nach Pandemie-Ausschlüssen. Dann wären Schäden, die infolge ansteckender Krankheiten entstehen, künftig nicht mehr abgedeckt. Ähnliches gilt für die Cyber-Absicherung. Dort fordert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) klarere Regeln und Ausschlüsse.
T. G.: Als Makler ist es unsere vorrangige Aufgabe, die besten Optionen für unsere Kunden zu erwirken. Das ist angesichts steigender Prämien, rückläufiger Kapazitäten und Zeichnungen schwerer denn je, zumal einige Versicherer sich komplett von einzelnen Geschäftsbereichen trennen werden. Der Markt wird somit enger und nicht eben einfacher. Dennoch suchen und steuern wir das Gespräch, denn die Situation darf sich keinesfalls weiter verhärten. Vertragsanpassungen werden sich nicht vermeiden lassen, aber über die jeweilige Ausprägung und individuelle Möglichkeiten müssen wir in den Dialog treten. Und wir sind in der Lage, Alternativen zu finden, wo es notwendig ist.
T. G.: Grundsätzlich natürlich unverändert, denn auch bisher haben wir es als unsere Aufgabe gesehen, die bestmöglichen Optionen zu ermitteln und zu verhandeln. Im Fokus steht für uns dabei - in der jetzigen Situation mehr denn je - eine konsequente und gründliche Risikoanalyse. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Wochen zudem ihre Geschäftsfelder verändert, was unter Umständen auch den Versicherungsschutz beeinflusst, wenn beispielsweise anstelle von Konsumgütern plötzlich Hygieneartikel produziert werden. Hier unterstützen wir aktiv dabei, zu prüfen, ob und in welchem Umfang bestehende Verträge angepasst oder ergänzt werden müssen. Auch eine risikoadäquate Reduzierung des Versicherungsschutzes, etwa durch die Einführung von Selbstbehalten, kann ein geeignetes Mittel sein, mittelfristig Versicherungsschutz für den Höchstschaden sicherzustellen. In jedem Fall stehen wir unseren Kunden als starker Partner zur Seite, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, das es aktuell zu sichern gilt.
T. G.: Grundsätzlich wird auch der Brexit Einfluss auf den Versicherungsmarkt nehmen. Es geht dabei speziell um den Geltungsbereich der EU, der in den Versicherungsbedingungen benannt ist. Um hier verschiedene Auslegungen seitens der Versicherer zu verhindern, hat der Gesetzgeber das BREXIT Übergangsgesetz (BrexitÜG) erlassen. Es stellt für den Übergangszeitraum klar: "Wenn im Bundesrecht von den Mitgliedstaaten der EU die rede ist, so ist damit auch das Vereinigte Königreich gemeint." Somit wird erst nach einer endgültigen Entscheidung Handlungsbedarf entstehen, auf den wir entsprechend reagieren werden. Vielen Dank für das Gespräch!
Die Gossler, Gobert & Wolters Gruppe (GGW Gruppe) ist einer der großen unabhängigen und inhabergeführten Industrieversicherungsmakler in Deutschland. Als Experte für integriertes Risiko- und Versicherungsmanagement betreuen die rund 290 Mitarbeiter der GGW Gruppe mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel, Gewerbe sowie den rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen. Deutschlandweit ist das Beratungshaus an neun Standorten vertreten und berät in Zusammenarbeit mit internationalen Netzwerken Kunden in über 60 Ländern.
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